„Ach, Sie kommen aus Cappel … in Cappel gibt es ja mehr Lippische Rosen als in Detmold.“ Mit diesen Worten wurden Besucher aus Cappel vor wenigen Monaten im Fürstlichen Residenzschloss Detmold von der Schlossführerin empfangen. Im Laufe des Gesprächs stellte sich heraus, dass die junge Dame das Cappeler Schützenfest kannte und für diese Zeit ist ihre Feststellung zweifellos zutreffend. Aber auch außerhalb der Schützenfesttage findet sich die Rose an vielen Stellen im Ortsbild. Zum Schützenfest jedoch ist die Lippische Rose auf jeder Fahne, auf jeder Krawatte und auf jedem Schützenrock präsent. Grund genug, anlässlich des Schützenfestes einen genaueren Blick auf die Lippische Rose zu werfen.
Die Rose ist neben der Lilie eine verbreitete Figur in der Wappenkunde, die in unterschiedlichen Formen der Blüte der fünfblättrigen Heckenrose nachempfunden worden ist. Die Rose wird mit einem Kelchblatt nach unten und einem Blütenblatt nach oben abgebildet. Wichtig ist dabei nicht das Kelchblatt, sondern das nach oben zeigende Blütenblatt. Bei einer umgedrehten Rose sprechen Wappenkundler von einer „gestürzten“ Rose. Die Blütenmitte wird als Butzen oder Knopf bezeichnet. Im Normalfall sind die Blütenblätter rot, die Kelchblätter grün und der Knopf gold, allerdings sind viele Abweichungen davon möglich. Eine dieser Abweichungen sind die goldenen Kelchblätter der Lippischen Rose, die erst um 1600 hinzugefügt wurden. Ihre goldene Farbe geht vermutlich zurück auf den Erwerb der Grafschaften Sternberg und Schwalenberg durch das Haus Lippe, die beide Gold im Wappen führten. Das Farbenpaar Gold und Rot wurde so zu den lippischen Landesfarben, die sich seitdem prominent auch in der Rose wiederfinden.
Warum aber eine Rose? Die Rose steht für Liebe und Verschwiegenheit, aber auch für Vergänglichkeit und Tod. Die weiße dornenlose Rose gilt als Sinnbild für die Gottesmutter Maria. Die fünf roten Blütenblätter stehen für die fünf Kreuzigungswunden Christi, die Rose ist damit Symbol des Glaubens. Ab dem 13. Jahrhundert wird die Rose aber auch als Zeichen der erfüllten erotischen Liebe verstanden, der Liebe im Rahmen eines geordneten Ehe- und Familienlebens, damit aber auch für Disziplin und Selbstbeherrschung, für Sitte. Im Laufe der Jahrhunderte ist die Rose vom Wappen der Edelherren zum identitätsstiftenden Symbol für die Menschen geworden. Sie steht damit auch für die Liebe zu Heimat und Vaterland und versinnbildlicht damit insgesamt auch das Leitwort unserer Schützenvereine: Glaube, Sitte, Heimat.
Die älteste Darstellung der Rose für den lippischen Bereich findet sich auf einem in Lippstadt geprägten Pfennig aus dem Ende des 12. Jahrhunderts. Ob bereits Bernhard II. oder erst sein Sohn Hermann II. die Rosenblüte als Wappen führte ist nicht zweifelsfrei nachzuweisen. Von Hermann II. gibt es einen eindeutigen Nachweis auf einem Siegel aus dem Jahr 1218. Seitdem taucht die „Lipperose“ immer wieder auf und gilt seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts als Familienwappen der Edelherren zur Lippe bzw. später des lippischen Hauses. Im 15. Und 16. Jahrhundert verloren die Wappen ihre Bedeutung als Erkennungszeichen in der Schlacht und wurden mehr und mehr Herrschaftszeichen. Dementsprechend wurden sie verziert und erhielten eine schmuckvolle Ausgestaltung. Für die Lippische Rose bedeutete das, die Hinzufügung der Kelchblätter, die vorher nicht vorhanden waren. Erstmalig festgeschrieben wurde das Aussehen der Rose 1789 mit der Erhebung Lippes zum Fürstentum, hier wurde auch das besondere Merkmal der goldenen Kelchblätter – „mit Gold besamt [Knopf] und bespitzt [Kelchblätter]“ – schriftlich fixiert. Das Wappen des Landesherren wurde im 19. Jahrhundert verstärkt auch zu einem Zeichen des Staates und Symbol hoheitlichen Handelns. Das Familienwappen wurde zum Wappen des Staates, die Rose des fürstlichen Hauses zur Lippischen Rose. Das setzte sich auch nach dem Ende der Monarchie 1918 fort. In den lippischen Kreiswappen, als Zeichen des Landesverbandes Lippe aber auch im Landeswappen Nordrhein-Westfalen findet sich die Lippische Rose bis heute.
Im Landeswappen von Nordrhein-Westfalen – hier steht die Rose neben dem Rheinland mit dem Rhein und Westfalen mit dem Ross für den dritten Landesteil Lippe – ist die Rose als gestürzte Rose, also mit einem Blütenblatt nach unten, zu sehen. Zweifelsohne ist diese Darstellung falsch. Bereits das Siegel Hermann II. (1218) zeigt die Rose mit einem Blütenblatt nach oben. Abweichungen, die es immer wieder einmal gegeben hat, hängen vermutlich damit zusammen, dass sich Künstler bei der Darstellung nicht immer an den mittelalterlichen Vorbildern orientiert haben. Seit 1789 ist die Darstellung mit dem nach oben zeigenden Blütenblatt jedoch verbindlich. Wie es zu dem Irrtum im offiziellen Landeswappen Nordrhein-Westfalens kam, ist kaum mehr festzustellen. Der Fehler wurde erst 2007 mit dem neuen „Design-Wappen“ korrigiert, allerdings werden Kelchblätter und Butzen in diesem vereinfachten Wappen in Grün dargestellt. Das gesetzlich festgelegte Wappen wurde dabei nicht verändert, so dass im offiziellen Landeswappen zwar die korrekte Farbgebung, aber die falsche Drehung der Lippischen Rose erhalten geblieben ist. Einer gestürzte Rose kann allerdings auch eine konkrete Aussage zugeschrieben werden: Ein auf den Kopf gestelltes Wappen bedeutete im Mittelalter, das sein Träger verstorben oder das Geschlecht erloschen war. Die gestürzte Rose im Landeswappen könnte damit auf das Ende der Selbstständigkeit des Landes Lippe hinweisen. Ob der Schöpfer des Landeswappens, der Heraldiker Wolfgang Pagenstecher 1947 genau das sagen wollte, wissen wir nicht.
Wir wissen aber, dass die Lippische Rose in Cappel richtig herum, lebendig und mit Stolz geführt wird. Sie ist zu einem identitätsstiftenden Faktor geworden, in Cappel bekennt sich nicht nur der Schützenverein zur Lippischen Rose, sondern sie ist bei vielen Vereinen, an zahlreichen Bürgerhäusern und öffentlichen Gebäuden dauerhaft präsent. Nicht nur zum Schützenfest, aber sicherlich an diesen Tagen in besonderer Weise. Hunderte Cappeler werden sie auch in diesem Jahr mit Stolz und Selbstwusstsein am Schützenrock tragen und den freudig erstaunten Besuchern des Cappeler Schützenfestes, auch aus der Residenzstadt Detmold, präsentieren.